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Von Helga Wiesmann

Postbiotika – Die Helfer für Darm & Immunsystem

Frau hält Hände vor den Bauch

Neben Prä- und Probiotika gibt es seit geraumer Zeit einen neuen Ansatz, um gesundheitsfördernd auf den Darm und das Immunsystem einzuwirken. Es handelt sich dabei um Postbiotika. Das sind bioaktive Substanzen, die dann entstehen, wenn ein probiotisches Darmbakterium ein Präbiotikum verarbeitet und dabei die Gesundheit fördernde Substanzen entstehen. Diese Substanzen können zusätzlich auch über die Nahrung bzw. Nahrungsergänzungsmittel zugeführt werden.

Präbiotika, Probiotika, Postbiotika

Im Grunde bilden Präbiotika, Probiotika und Postbiotika eine Nahrungskette. Die verdauungsfördernden Darmbakterien (Probiotika), vor allem Milchsäurebakterien, wie Lactobazillen und Bifido-Bakterien, stehen dabei im Mittelpunkt. Sie benötigen Ballaststoffe als Futter (Präbiotika) für ihr Wachstum und ihre Vermehrung. Diese sind zum Beispiel in Getreide (Beta-Glucan) und frischem Obst und Gemüse enthalten. Wenn die präbiotischen Faserstoffe aus den Lebensmitteln von den Probiotika aufgenommen werden, scheiden diese nach Fermentation die sogenannten Postbiotika aus. Das sind dann keine lebenden Mikroorganismen mehr, sondern es handelt sich um die Stoffwechselprodukte der nützlichen Bakterien. Dieses Zusammenspiel der Nahrungskette wird durch die Qualität und Vielfalt der Ballaststoffe gefördert.

Was sind Postbiotika?

Es gibt noch keine einheitliche Definition. Doch bedeutet Post-Bio: Nach dem Leben. So können sowohl inaktive gute Bakterien als auch deren Stoffwechselprodukte unter diesem Begriff gemeint sein. Die in der Regel durch Hitze inaktivierten Probiotika werden oft auch als Parabiotika bezeichnet. Parabiotika enthalten also keine lebenden Mikroorganismen mehr. 
Ein Expertengremium der ISAPP (International Scientific Association of Probiotics and Prebiotics) beschreibt Postbiotika so:
„Es handelt sich um eine Aufbereitung aus unbelebten Mikroorganismen und/oder Komponenten davon, die dem Wirt einen gesundheitlichen Nutzen bringen. Es handelt sich dabei um absichtlich inaktivierte mikrobielle Zellen ohne oder mit Zellbestandteilen und Metaboliten, also Stoffwechselprodukten, die nachweisbar einen Nutzen für die Gesundheit darstellen“.

Zu den Komponenten von Postbiotika zählen:

  • Enzyme wie zum Beispiel Laktase
  • Nährstoffe wie Vitamin K, B-Vitamine wie Folsäure und Vitamin B12
  • verschiedene Aminosäuren
  • funktionelle Eiweißstoffe
  • komplexe Kohlenhydrate
  • organische Säuren wie z.B. Milchsäure 
  • kurzkettige Fettsäuren

Mehr Gesundheit für den Darm

Vor allem die kurzkettigen Fettsäuren sind in den letzten Jahren vermehrt im Gespräch, wenn es um die Fragen rund um ein gut aufgebautes, postbiotisches Mikrobiom geht. Butyrat (Buttersäure), Propionat (Propionsäure) und Acetat (Essigsäure) stärken zum Beispiel das Immunsystem im Darm, haben einen positiven Einfluss auf die Darmschleimhaut und können in der Entstehungsphase eines Leaky-Gut-Syndroms genutzt werden. 
Viele der natürlichen Postbiotika wirken Entzündungen entgegen. Entsprechende Produkte können daher auch bei entzündlichen Darmerkrankungen begleitend zum Einsatz kommen. Sie können außerdem eine positive Auswirkung auf Verdauungsprobleme, wie das Reizdarmsyndrom haben und sowohl bei Durchfall als auch bei Verstopfung helfen. In einer Studie konnte gezeigt werden, dass vor allem die Fettsäuren Butyrat und Pentanoat die Aktivität der Killerzellen steigern und die Effizienz von Krebstherapien verbessern können. In weiteren Studien konnten mit postbiotischen Substanzen Verbesserungen bei allergischer Dermatitis und Säuglingskoliken erzielt werden. Da kurzkettige Fettsäuren die Gefäßwände entspannen, könnten sie auch ergänzend zur Blutdrucksenkung und bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen genutzt werden. Während der Schwangerschaft können sie den Stoffwechsel von Mutter und Kind positiv beeinflussen. 

Kurzkettige Fettsäuren werden beschrieben als:

  • entzündungshemmend
  • immunmodulierend
  • Blutdruck- und Cholesterin-senkend
  • antioxidativ

Welches sind postbiotische Lebensmittel?

Kurzkettige Fettsäuren sind zum Beispiel in Butter, Sahne, Olivenöl, Kokosöl und Avocado zu finden. Auch in Nüssen und Samen sind sie enthalten. Doch geht es im Grunde eher um die körpereigene Produktion der postbiotischen Substanzen.
Dabei sind in der Nahrung vor allem die Präbiotika, also die Ballaststoffe wichtig, um eine gute postbiotische Versorgung mit Fettsäuren zu fördern. Das Motto könnte heißen: Die Darmbakterien gut füttern. Präbiotika in Lebensmitteln wie Chicorée, Topinambur, Artischocken, Zwiebeln oder Schwarzwurzeln enthalten viele Fasern und sollten häufig auf dem Speiseplan stehen. Auch fermentierte Lebensmittel nützen dem Magen-Darm-Trakt in dieser Hinsicht, denn sie fördern ebenso eine gesunde Darmflora. Wer dazu Joghurt, Kefir oder Dickmilch – oder auch direkt Probiotika – zu sich nimmt, tut sich gleich zweierlei Gutes: Er stimuliert damit die Selbstversorgung des Körpers mit den Bakterien für den Darm und das Mikrobiom, fördert deren Wachstum und unterstützt damit auch die Bildung der gewünschten Substanzen. Besonders gut für die Produktion der kurzkettigen Fettsäuren sind Kartoffeln, die gekocht und wieder abgekühlt sind. So entsteht die resistente Stärke, die von den Bakterien sehr gerne postbiotisch verstoffwechselt wird.

Welches sind die Vorteile von Postbiotika?

Im Postbiotikum sind nicht, wie bei den Probiotika, lebende Mikroorganismen enthalten. Von daher können sie für schwer kranke Menschen mit geschwächtem Immunsystem, für Säuglinge und Kleinkinder oder Patient*innen mit Leaky-Gut-Syndrom und Dünndarmfehlbesiedelung besser geeignet und mit einem geringeren Risiko für Nebenwirkungen verbunden sein. 
Während die Bakterien in Probiotika zuweilen Blähungen und Völlegefühl verursachen, ist das bei Postbiotika nicht der Fall.
Zudem sind postbiotische Substanzen länger haltbar und sie müssen nicht gekühlt gelagert werden. Sie wirken schneller als probiotische Bakterien – schließlich handelt es sich hier ja um deren Endprodukte, die so direkt dem Körper zur Verfügung stehen. 

Können Probiotika, Präbiotika und Postbiotika zusammen eingenommen werden?

Ein Postbiotikum kann gut zusammen mit Präbiotika und lebendigen Bakterien eingenommen werden. Alle drei Anteile dieser Nahrungskette haben ihre eigene Funktion in der Balancierung des Mikrobioms und für die Gesundheit. Doch stellt sich die Frage nach dem Warum. Wer ausreichend Präbiotika mit der Nahrung aufnimmt und durch Probiotika eine gut ausbalancierte Darmflora hat, dessen körpereigene postbiotische Produktion läuft wunderbar. In manchen Fällen kann jedoch eine rein postbiotische Versorgung zunächst sinnvoller sein.

Alles für die Darmgesundheit

Bakterien – gute wie schädliche – spielen eine wichtige Rolle im Leben jedes Menschen. Dass die Darmgesundheit für die Vitalität und das Wohlbefinden große Bedeutung hat, weiß inzwischen fast jeder. Dysbiosen, also Fehlbesiedlungen des Darms sind häufig. Ob dann Prä- und Probiotikum oder ein Postbiotikum zum Einsatz kommen, liegt auch in der Wahl des Therapeuten, denn alles hat ein Für und Wider. Die Hoffnung in der medizinischen Welt liegt darin, dass immer spezifischere und individueller ausgerichtete Produkte entwickelt werden. Noch ist bei all dem weitere Forschung wichtig. Auch die Frage, welche Wirkung ein bestimmter Bakterienstamm haben könnte, wird künftig immer interessanter werden, zum Beispiel im Zusammenhang mit Erkrankungen wie Diabetes oder Autoimmunerkrankungen. Das Thema bleibt komplex. 
Doch was Jede und Jeder für sich selbst und seine Darmgesundheit tun kann, ist sehr einfach: für eine gesunde Ernährung, ausreichend Bewegung und eine gute Stressbewältigung zu sorgen.

Quellenangaben & weiterführende Literatur

Weblinks

*: Bei Literatur: Erscheinungsjahr; bei Webseiten: Datum des letzten Abrufs

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