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Von Thomas Kammler

Welche Rolle spielt die Darmflora für ein gesundes Altern?

Darm und gesunde Lebensmittel

Und wie können Seniorinnen und Senioren aktiv darauf einwirken?

Von der Geburt an, im Kindesalter, als Jugendliche und junge Erwachsene, bis hinein ins hohe Alter verändert sich auch die bakterielle Besiedelung des Darms. Sie passt sich den Gegebenheiten an und entwickelt sich zu einer individuellen, einzigartigen Darmflora (auch Darm-Mikrobiom genannt). Sie wird gebraucht, um Stoffwechselvorgänge zu bewältigen, Vitamine und Hormone zu produzieren und das Immunsystem auf Zack zu halten. 

Eine Veränderung des Kernmikrobioms kann Auswirkungen auf unsere Gesundheit haben. So könnte sie auch dazu beitragen, beim Älterwerden Alterungsprozesse zu beschleunigen. Schon lange bringen Wissenschaftler die Zusammensetzung der Darmflora mit verschiedensten Erkrankungen, auch altersbedingten, in Verbindung. Hierbei hat man es allerdings mit einem „Henne-Ei-Frage“ zu tun: Sind die Erkrankungen Folge einer veränderten Flora oder der Grund für eine veränderte Flora? Zu diesen Zusammenhängen muss weiter geforscht werden.

Die Darmflora büßt im Laufe des Lebens ihre Vielfalt ein. 

Die Dysbalance des Mikrobiom wird unter anderem begünstigt durch häufige Antibiotika-Therapien, die die Darmbakterien in geringerer Vielfalt nachwachsen lassen. Als Folge können zum Beispiel krankmachende Keime eher gedeihen. Zusätzlich setzt das Immunsystem im Verlauf seines normalen Alterungsprozesses immer mehr entzündungsfördernde Botenstoffe frei. 

Mit den Jahren vermehren sich bestimmte erwünschte Bakteriengruppen, wie zum Beispiel die Lactobazillen, weniger. Dies kann ebenso dazu führen, dass unerwünschte, potenziell krankmachende Bakterien überhandnehmen. Diese können die Darmgesundheit negativ beeinflussen und zu chronischen Entzündungen führen. Diese chronischen Entzündungen werden oftmals nicht bemerkt und daher als „stille Entzündung“ (engl. „silent inflammation“) bezeichnet. Sie können über viele Jahre unbemerkt bestehen und können mitbeteiligt sein an der Entstehung altersbedingter Erkrankungen wie Diabetes, Alzheimer, Osteoporose, Atherosklerose und Arthritis.

Studie zeigt: Heimbewohner haben eine weniger vielfältige Darmflora

Die Vielfältigkeit der Bakterienstämme der Darmflora ist laut einer Untersuchung, die in der renommierten Zeitschrift „nature“ veröffentlicht wurde, bei Heimbewohnern niedriger als bei Senioren, die in ihren Wohnungen leben. Und es zeigte sich: Je weniger vielfältig das Mikrobiom, desto stärker die Gebrechlichkeit der älteren Menschen.

Stuhluntersuchungen von vitalen und sehr alten, über 100-jährigen Menschen in Japan haben Gemeinsamkeiten zutage gefördert, nämlich eine Häufung von gesundheitsfördernden Bakterien wie Bifidobakterien und deinem Keim namens „Akkermansia muciniphila“. Dieser kann zwar nicht von außen zugeführt, aber mit ballaststoffreicher Ernährung im Wachstum gefördert werden.

Wichtig ist also, dass Senioren mit Ballaststoffen gut versorgt sind, vitalstoffreich essen und auch ausreichend trinken. Die Ernährung in den Heimen ist aber nicht immer optimal. Außerdem sind Senioren bisweilen etwas resistent gegenüber dem Impuls, sich gesünder zu ernähren. Zudem müssen viele ältere Menschen einen ganzen Cocktail an Medikamenten einnehmen, von denen einige die Darmflora negativ zu beeinflussen scheinen. 

Liegt eine Darmdysbiose – also eine Darmflora im Ungleichgewicht – vor, so kann dies auch Einfluss auf die Verwertung und Aufnahme von Nährstoffen u.a. Aminosäuren, die aus Eiweißen gewonnen werden, haben. Das kann Auswirkungen auf die Muskulatur haben, was zu einer Einschränkung der Bewegungsfreude führen kann. Auch hier schließt sich ein Kreis: je weniger Bewegung ein alter Mensch hat, desto träger wird die Verdauung. Dies wiederum kann sich negativ auf die Zusammensetzung der Darmflora auswirken.

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Veränderungen in der Zusammensetzung der Darmflora geschehen rasch!

Das ist eine gute Nachricht für ältere Menschen, die denken mögen: „Ach für mich ist es sowieso zu spät“. 

Eine Umstellung von tier- auf pflanzenbasierte Kost bewirkt schon nach fünf Tagen Veränderungen im Mikrobiom. Es nehmen innerhalb dieser Zeitspanne bereits jene Bakterien zu, die entzündungshemmend wirken. Die Darmflora entwickelt sich bei pflanzenbasierter Ernährung dahingehend, dass die Bakterien mehr schwer verdauliche Kohlenhydrate verstoffwechseln. Isst jemand dahingegen viel Fleisch und Wurst, werden Bakterien „angefüttert“, die ihre Energie aus tierischem Eiweiß ziehen. Diese Dysbalance kann eine stille Entzündung fördern.

Doch dauert diese positive Veränderung im Mikrobiom nicht lange an: nimmt ein Mensch seine vorige Ernährungsweise wieder auf, braucht es gerade mal zwei Tage und alles ist beim Alten. Es geht also um Konsequenz und Dauer. Das ist zwar oft schwierig, denn alte Gewohnheiten sind allen Menschen lieb. Dennoch: es lohnt sich.
Bestimmt wird bald auch an gezielten Darmbakterienmischungen für Senioren geforscht. Bis dahin ist es aber allemal die Mühe wert, dass alte Menschen ihre Darmflora regelmäßig durch die Einnahme von bewährten, guten Darmbakterien unterstützen, damit die Unterschiedlichkeit in der Besiedelung unterstützt wird. 

Quellen:
www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-01022014/ernaehrung-veraendert-darmflora-rasch/
www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-282018/alterungsprozess-im-darm/
www.medmedia.at/apotheker-krone/das-alternde-mikrobiom/
www.science.orf.at/stories/3207901/
www.spektrum.de/news/mikrobiom-die-darmflora-veraendert-sich-mit-dem-alter/1939381
www.nature.com/articles/s41586-021-03832-5
www.nature.com/articles/s42255-021-00348-0

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