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Von Thomas Kammler

Autogenes Training: konzentrative Selbst-Entspannung des Körpers und psychologische Selbstbetrachtung

Frau liegt auf einem Stein im Wasser

Wie man durch formelhafte Vorsatzbildung lernen kann, einen entspannten Zustand zu erreichen

Dank der durch Stress geprägten modernen Welt erleben die unterschiedlichsten Entspannungsmethoden wie Meditation oder Yoga eine Hoch-Zeit – denn viele Menschen wünschen sich, trotz Stress im Alltag wieder entspannen zu können. Neben der Progressiven Muskelentspannung (ursprünglich nach Jacobson) gehört das autogene Training zu den in Europa am besten erforschten Entspannungstechniken. Schauen wir einmal genauer hin, was Autogenes Training eigentlich genau ist, wie es angewendet wird und wer von dieser Methode profitieren kann.

Was bedeutet Autogenes Training (AT)?

Der Begriff „autogen“ setzt sich aus dem altgriechischen Wort „auto“ für „selbsttätig“ und dem lateinischen Wort „genero“ für „erzeugen“ zusammen. Er beschreibt in verkürzter Form also eine selbsttätige, von innen heraus erzeugter Entspannung. Obwohl autogenes Training idealerweise unter Anleitung durchgeführt wird, beschreibt das „Training“ das Gegenteil von Entspannung, die von außen erwirkt wird (z.B. durch meditative Musik).

Was ist Autogenes Training?

Autogenes Training ist ein Entspannungsverfahren, dass sich der Autosuggestion, also der Selbstbeeinflussung, durch einfache Übungen und regelmäßiges Üben bedient. Diese Art der selbstbeeinflussenden Entspannung kennt man beispielsweise auch aus dem Zen-Buddhismus oder dem Yoga. Der Berliner Psychiater Johannes Heinrich Schultz entwickelte diese von weltanschaulich-religiösen Aspekten losgelöste Methode aus der Hypnose heraus. Sie basiert auf der Erkenntnis, dass die meisten Menschen einen Zustand tiefer körperlicher und psychischer Entspannung und innerer Ruhe einzig und allein durch ihre Vorstellungskraft erreichen können. Schultz veröffentlichte seine Erkenntnisse zur konzentrativen Selbstentspannung 1932 im Buch „Das autogene Training“. Mittlerweile ist dieses Verfahren aufgrund seiner nachgewiesenen positiven Effekte eine anerkannte psychotherapeutische Methode, die seit ihrer Geburt stetig weiterentwickelt und erforscht wurde.

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Wie funktioniert Autogenes Training?

Die Haltung: Zunächst wird für die Übung eine für den ganzen Körper angenehme Haltung eingenommen. Während der Übung soll die Körperhaltung für den Trainierenden* bequem sein. Die traditionellen Haltungen dabei sind: Droschkenkutscherhaltung, sitzend auf einem Stuhl, sitzend mit Armlehnen, sitzend mit Armlehnen und Kopfauflage, Schreibtischhaltung oder liegend. Empfohlen wird einmal täglich im Sitzen und einmal täglich im Liegen zu üben.

Die Übungen der Grundstufe, Mittelstufe und Oberstufe: Die Übungen, die durchgeführt werden, bestehen im Aufsagen oder Imaginieren (also Vorstellen ohne Auszusprechen) von Formeln. Wie in der Schule bestehen die Übungen aus Grundstufe, Mittelstufe und Oberstufe und erfordern regelmäßiges Training.

Grundstufe:

Zu Beginn der einzelnen Übungen steht die sogenannte „Ruhetönung“, der Formel „Ich bin ganz ruhig“. Es folgen:

  • Schwereübung („Der rechte Arm ist schwer.“, „Der linke Arm ist schwer.“, „Beide Arme sind ganz schwer.“),
  • Wärme-Übung („Beide Arme sind ganz warm.“),
  • Herzübung („Das Herz schlägt ruhig und kräftig.“),
  • Atemübung („Die Atmung ist ruhig und gleichmäßig.“),
  • Bauchwärme („Der Bauch ist strömend warm.“) und
  • Stirnkühle („Die Stirn ist angenehm kühl.“).  

Beendet wird mit dem sogenannten „Zurücknehmen“: Beim Zurücknehmen werden Körper und Geist wieder ins „Hier und Jetzt“ geführt. Dafür werden die Arme gestreckt und ausgeschüttelt, mehrmals tief ein- und ausgeatmet und danach die Augen geöffnet - es sei denn, man hat die Übungen vor dem Einschlafen durchgeführt. In einem abschließenden Protokoll schreibt der Übende seine Erlebnisse und Erfahrungen während der Übung auf.

Mittelstufe:

Hier werden positiv formulierte Vorsätze gebildet wie etwa „Es geht mir gut, es geht mir gut“ oder „Ich bleibe gelassen“. Zudem werden vor und nach den Trainings gestalterische Übungen wie etwas malen oder formen durchgeführt. Übende sollen so lernen, zu psychoanalytischen Einsichten zu gelangen.

Oberstufe:

Hier wird eine Art Auto-Psychoanalyse unter fachkundiger Anleitung durchgeführt. Hierfür werden folgende Übungen durchgeführt: Eine „beliebige“ Farbe auftreten lassen und „Auffinden der Eigenfarbe“, Objekte vor dem geistigen Auge erscheinen lassen, abstrakte Gegenstände „schauen“, herbeigeführte Gefühlszustände erleben, andere Menschen sehen und Fragen an das Unbewusste stellen.

Man beginnt die Reise in das Autogene Training also mit richtiger Haltung, entspannter Atmung und den körper-zentrierten Übungen. Dann öffnet man sich für unbewusste Inhalte und anschließend wird das Erlebte besprochen und bearbeitet. Die ursprünglichen Erkenntnisse und Verfahren der Selbsthypnose von Johannes Heinrich Schultz wurden in den darauffolgenden Jahrzehnten durch neue Erkenntnisse abgewandelt und haben die unterschiedlichsten Erweiterungen erfahren. Auch wird das Autogene Training heutzutage nicht mehr allein als Unterstützung einer psychotherapeutischen Behandlung von Kranken begriffen, sondern auch gesunde Menschen können von höherer Lebensqualität, besserer Körperwahrnehmung und Kontrolle des Körpers oder kognitiver Leistungssteigerung profitieren.

Ist die Wirkung von Autogenem Training wissenschaftlich nachgewiesen?

Autogenes Training kann in den unterschiedlichsten Bereichen auf die Gesundheit einwirken. Bewährt sich die Methode unter anderem bei körperlichen Beschwerden wie schmerzenden Muskeln, Kopfschmerzen oder Gliederschmerzen. Zudem verbessert es die Stressempfindlichkeit und kann auch unterstützend bei chronischen Schmerzen zur Linderung von Schmerzen eingesetzt werden. Dies wird u.a. durch eine verbesserte Durchblutung erreicht. Aber auch bei Schlafstörungen, die mit Nervosität und innerer Unruhe einhergehen, können Erfolge erzielt werden, ebenso bei Bluthochdruck. Eine Metaanalyse von 24 Studien zeigte, dass Autogenes Training vergleichbar effektiv wie Progressive Muskelentspannung ist und ein ähnlich breites Einsatzspektrum aufweist.

Was kann man tun, wenn man ZU angespannt ist, um Entspannungsübungen zu machen?

Häufig sind gut gemeinte Ratschläge zur Stressbewältigung und zur Anwendung von Entspannungstechniken für gestresste Personen nicht besonders effektiv. Der Hauptgrund hierfür ist, dass die Betroffenen oft in einem Zustand der Überforderung oder Hektik sind, was es schwierig macht, sich überhaupt auf solche Maßnahmen einzulassen oder sie über einen ausreichend langen Zeitraum hinweg konsequent anzuwenden. Zudem kann der Druck, diese Techniken erfolgreich umzusetzen, zu noch mehr Stress führen.

Pflanzliche Beruhigungsmittel können in solchen Fällen eine unterstützende Rolle spielen: Sie können dazu beitragen, eine gewisse Grundentspannung zu erreichen, was es wiederum einfacher machen kann, Entspannungstechniken zu erlernen und langfristig in den Alltag zu integrieren.

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* Aufgrund der besseren Lesbarkeit wird im Text das generische Maskulinum verwendet. Gemeint sind jedoch immer alle Geschlechter.

Quellenangaben & weiterführende Literatur

Weblinks

*: Bei Literatur: Erscheinungsjahr; bei Webseiten: Datum des letzten Abrufs

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