Als die sozialliberale Koalition unter Helmut Schmidt im September 1976 aufgrund gestiegener internationaler Anforderungen an die Unbedenklichkeit von Arzneimitteln das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelrechts verkündete, standen die beiden Frauen vor ihrer ersten großen Herausforderung.
„Diese Gesetzesverabschiedung kam für die Pharmabranche einer Revolution gleich“, erinnert sich Dr. Birgit Wilrich. Bislang war es vergleichsweise einfach gewesen, einen neuen Arzneistoff einzuführen. Das Arzneimittelgesetz (AMG) von 1961 enthielt keine Verpflichtung, Heilmittel auf Wirksamkeit und Verträglichkeit zu prüfen; es gab nur eine Registrierung. „Für die industrielle Arzneimittelproduktion, die damals 85 Prozent aller Medikamente fertigten, war überhaupt nichts geregelt“, beschreibt sie die Situation.
Das Zweite Arzneimittelgesetz, das am 1. Januar 1978 in Kraft trat, legte erstmals Grundsätze für die Qualitätsprüfung sowie für die pharmakologisch-toxikologische und die klinische Prüfung von Präparaten fest. Um die Arzneimittelsicherheit zu erhöhen, mussten die Hersteller nun ein Zulassungsverfahren durchlaufen. Die neuen Leitlinien hießen Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit.
Für Pascoe war die Dokumentation der Herstellungsvorgänge und die analytischen Kontrollen der Präparate zwar seit Langem eine Selbstverständlichkeit. Trotzdem bedeutete das neue Gesetz auch für das Gießener Unternehmen eine Zäsur. „Für uns als ein auf Naturmedizin spezialisiertes Unternehmen war das neue Gesetz wichtig, weil es festschrieb, dass pflanzliche und homöopathische Arzneimittel weiterhin verordnet werden können“, erinnert sich Dr. Birgit Wilrich. Es klassifizierte Naturheilmittel als besondere Therapierichtung.
Damit hatte sich das Zweite Arzneimittelgesetz von den ersten Vorschlägen, die entweder eine Beseitigung oder eine Diskriminierung der homöopathischen und phytotherapeutischen Arzneimittel bedeutet hätten so weit gewandelt, dass für homöopathische Mittel die Registrierung, für phytotherapeutische Arzneimittel erleichterte Zulassungsbedingungen geschaffen wurden. Da Pflanzenarzneien Vielstoffgemische sind, war der Wirksamkeitsnachweis durch pharmakologische Untersuchungen für Phytopharmaka allerdings nicht möglich. Daher erkannte das Bundesgesundheitsamt für naturmedizinische Präparate Anwendungsbeobachtungen, ärztliche Erfahrungsberichte oder Sammlungen von Einzelfallberichten an. Die Arzneimittel erhielten Zulassungsnummern und die Hersteller durften ihnen eindeutige Indikationen zuordnen, die sie auf den Verpackungen angaben.
Im Zuge der Reform des Arzneimittelgesetzes erschien 1978 auch das erste amtliche Homöopathische Arzneibuch (HAB 1). Dafür hatte das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit 1976 die Homöopathische Arzneibuch-Kommission mit zwei Ausschüssen einberufen. Dr. Birgit Wilrich war Mitglied im Analytik-Ausschuss. „Hauptziel war die Qualitätsverbesserung“, beschreibt sie die Aufgabe der Kommission. „Wir haben Verfahren und Untersuchungslösungen festgelegt, mit denen Arzneirohstoffe auf ihre Identität und Reinheit geprüft und Trocknungsverluste bestimmt werden können.“ Die Identitäts- und Reinheitsprüfungen sollten unzulässige Beimengungen anderer Pflanzenarten oder Verunreinigungen durch nichtpflanzliche Zusätze ausschließen. Das HAB 1 regelte verbindlich die Fertigung aller nach homöopathischen Verfahren hergestellter Arzneimittel.