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Wissenschaftlicher Sensationsfund 2015: Lymphgefäße im Gehirn

Lymphgefäße im Gehirn

Bisher war man davon ausgegangen, dass sich das Gehirn zum eigenen Schutz von der Lymphflüssigkeit abschottet und keine Lymphgefäße hat – ein Irrtum.

Das renommierte Wissenschaftsjournal "Science" hat im Dezember die 10 wichtigsten wissenschaftlichen Durchbrüche des Jahres 2015 gekürt. Eine der bemerkenswertesten Entdeckungen gelang Forschern der University of Virginia School of Medicine im Sommer ganz zufällig: Sie fanden im Gehirn Lymphzellen und Gefäße, die sich als Verlängerungen des Lymphsystems erwiesen.Das Denkorgan galt bisher als gut untersucht, aber ganz offensichtlich hatte man dabei doch immer eine Kleinigkeit übersehen.
Jetzt wissen wir:

Unser Gehirn hat eigene Lymphgefäße.

Das Lymphsystem ist wesentlicher Teil unseres Immunsystems. In der Lymphe tummeln sich auch Krankheitserreger und Giftstoffe, um in den Organen des Lymphsystems (Lymphknoten, Mandeln) durch Abwehrzellen (Lymphozyten) unschädlich gemacht werden zu können. Bisher nahm man an, dass sich unser wertvolles Denkorgan als einziges vom Körper-Lymphgefäßsystem hermetisch abriegelt und eigene Abwehrmechanismen nutzt. Als Austauschpforte zwischen Körper und Gehirn kannte man nur die Blut-Hirn-Schranke – kaum überwindbar für anderes als die unbedingt notwendigen Nähr- und Botenstoffe, Sauerstoff und Kohlendioxid.
Aber jetzt wissen wir, dass das nicht so ist.

Alzheimer durch Lymphabfluss-Störungen?

Mit diesem neuen Wissen muss man nun davon ausgehen, dass Lymphgefäße im Gehirn eine zentrale Rolle bei allen neurologischen Erkrankungen spielen, die eine autoimmune Komponente haben oder Folgen eines entzündlichen Geschehens sind.

Möglicherweise sind also Ablagerungen, die zu Alzheimer Demenz führen doch irgendwie damit in Zusammenhang zu bringen, dass das Lymphsystem seine gewebsreinigende Funktion nicht ausreichend gut ausübt. Eventuell sind auch diese Lymphgefäße im Gehirn das verbindende Element von autoimmun-bedingten entzündlichen Geschehen im Gehirn, wie sie bei Multipler Sklerose (MS) auftreten.

Diese neue Entdeckung könnte also das Potenzial haben, das Wissen und den Umgang mit Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson oder Multiple Sklerose zu revolutionieren.

Quelle:

Antoine Louveau: Structural and functional features of central nervous system lymphatic vessels. Nature, 2015; DOI: 10.1038/nature14432

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