Vitamin-C-Mangel und Schmerzen

Aktuelle Studienübersicht
Zur Behandlung von klinischen Vitamin-C-Mangelzuständen, die ernährungsmäßig nicht behoben werden oder oral substituiert werden können, stehen hierfür speziell zugelassene Arzneimittel wie Pascorbin 7,5 g zur Verfügung, deren Einsatz in der klinischen Praxis auf einem breiten Erfahrungswissen beruht. Von besonderem Interesse für die medizinische Wissenschaft und therapeutische Praxis ist dabei die Frage, welche zusätzliche Wirkungen mit der Substitution von klinischen Vitamin-C-Mangelzuständen verbunden sind und worin genau deren therapeutische Bedeutung liegt. Vor diesem Hintergrund legt die medizinische Forschung seit einiger Zeit ein verstärktes Augenmerk auf typische Symptome, die mit klinisch relevanten Vitamin-C-Mangelzuständen assoziiert sind und die durch eine entsprechende Substitution positiv beeinflusst werden können.
Der Zusammenhang zwischen Ascorbatmangel und Schmerzzuständen kann von zwei Seiten betrachtet werden: Einerseits führen schmerzrelevante Ereignisse wie Entzündungen, Verletzungen, chirurgische Eingriffe und onkologische Erkrankungen zur erhöhten bzw. übermäßigen Produktion reaktiver Sauerstoffspezies (ROS), was einen erhöhten Ascorbatverbrauch und somit einen Ascorbatmangel zur Folge haben kann. Andererseits treten bei ausgeprägtem Ascorbatmangel (Skorbut) symptomatisch muskulo-skelettale Schmerzen auf.
Oxidativer Stress, das heißt ein Zuviel an ROS und ein Mangel an Antioxidantien wie Ascorbat1 schädigt Gewebe und ist Bestandteil der Pathophysiologie vieler Krankheiten, die auch mit Schmerz assoziiert sind. Vor diesem Hintergrund kann ein Ausgleich des Ascorbatmangels über die bloße Substitution hinaus als zusätzliche Wirkung die hiermit assoziierte Schmerzsymptomatik lindern. Entsprechend kann im Einzelfall als Folge dieser zusätzlichen Wirkung der Bedarf an Schmerzmitteln individuell angepasst werden. Dabei ist Ascorbat als enzymatischer Kofaktor an der Bildung Schmerz-relevanter Botenstoffe beteiligt und damit für die Schmerzmodulation wichtig.
Entsprechend beschreibt ein aktuelles Review2 anhand von 6 Beispielen diese zusätzlichen Wirkungen von Ascorbat bei Schmerzzuständen, die in plausibler Weise auf einen Ausgleich eines Ascorbatmangels zurückgeführt werden könnten.
Danach können besonders via intravenöser Gabe hohe Ascorbat-Blutspiegel erreicht werden, die einen schnellen Ausgleich des Mangels bewirken. Weitere klinische Studien mit größeren Stichproben sind sinnvoll, um die genaue Bedeutung der Kompensation des Vitamin-C-Mangels hinsichtlich zusätzlicher Effekte weiter zu belegen und optimale Dosen zu finden.
Dem Review liegt eine Literaturrecherche zugrunde, die 24 relevante Studien und Metaanalysen ergab.
Nach kritischer Bewertung des Evidenzlevels3 und der Adäquatheit der Methoden wurden 6 Bereiche für die Behebung eines Ascorbat-Mangels identifiziert, bei denen sich eine Substitution positiv auf die hiermit assoziierte Symptomatik auswirken kann:
- komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS)
- Neuralgie
- postherpetische Neuralgie (PHN)
- postoperativer Schmerz
- entzündungsbedingter Schmerz
- tumorbedingter Schmerz
Das Risiko der Entwicklung eines CRPS konnte in einer randomisiert kontrollierten Studie (RCT; n=68) durch lokale Injektion von 500 mg Vitamin C als Adjuvans bei der intravenösen Regionalanästhesie nach traumatischen Hand- und Sprunggelenksverletzungen und chirurgischem Eingriff gesenkt werden. Untermauert wird das durch die Ergebnisse weiterer Metaanalysen zur oralen Gabe. Die Autoren empfehlen die hochdosierte, intravenöse Gabe von Ascorbat, solange Entzündungen bestehen. An Tagen ohne i.v.-Gabe kann eine orale Applikation die Therapie unterstützen.
Im Kontext der Neuralgie fokussierten sich die Autoren auf Herpes zoster. Parenteral verabreicht könnte Vitamin C über die Substitution hinaus dazu beitragen, akuten Schmerz zu vermindern, was die Ergebnisse einer multizentrischen, prospektiven Kohortenstudie (7,5-15 g, 2-3-mal/Wo, über 2 Wo, n=67) unterstützen. Eine RCT zeigte hingegen keine signifikante Schmerzlinderung innerhalb der ersten 6 Wochen, was potentiell mit einer im Vergleich zur Kohortenstudie niedrigeren Dosis, kürzeren Behandlungszeit (5 g, 3-mal in 1 Wo, n=87) und umfangreichen Schmerzmedikation begründet werden kann.
Auch das Risiko für eine PHN konnte durch Vitamin C i.v. während einer akuten Herpes-zoster-Infektion reduziert werden. Das zeigen eine RCT (5 g, 3-mal/Wo, n=87) und eine nicht-interventionelle Studie (7,5-15 g über 2 Wochen, n=67), deren Ergebnisse auf eine neuroprotektive Wirkung einer antioxidativen Therapie hindeuten.
Ein peri- oder postoperativer Bolus von Ascorbat, um einem Mangelzustand durch erhöhten Bedarf entgegenzuwirken, reduzierte signifikant postoperative Schmerzen und den Bedarf an Analgetika in zwei Metaanalysen, die unterschiedliche Dosen (1-3 g) abdeckten. Die Autoren raten zur Gabe von 100-200 mg/kg Körpergewicht.
Entzündungsbedingter Schmerz, der durch Endometriose oder Arthrose hervorgerufen wurde, konnte nach oraler Gabe von Vitamin C (1 g/Tag über mehrere Wochen, 2 RCTs, Endometriose: n=59, Arthrose: n=133) signifikant reduziert werden. Die Autoren raten zu einer zusätzlichen intravenösen Administration.
Eine intravenöse Ascorbatgabe (≥ 20 g/Tag) reduzierte tumorbedingten Schmerz bei fortgeschrittenen Krebspatienten in Studien über die Lebensqualität signifikant (1 RCT: n=97, 2 Beobachtungsstudien: n=60, n=39), jedoch wurde im randomisiert, kontrolliertem Setting Hyperthermie als weitere Intervention der Verumgruppe verwendet.
Dieses Review unterstreicht, dass Schmerzzustände ein Hinweis auf einen Vitamin-C-Mangel sein können. Die Betroffenen können mit der Behebung der Mangelsituation daher potentiell von der zusätzlichen Wirkung einer Verbesserung der Schmerzsymptomatik profitieren. Die verfügbare medizinische Evidenz macht insofern die Notwendigkeit der Kompensation von Mangelsituationen bei Schmerzzuständen zunehmend klinisch plausibel. Vor diesem Hintergrund sollte dem Ausgleich des Ascorbatmangels in der klinischen Praxis mehr Bedeutung geschenkt und das Potential von pharmakologischem Ascorbat zum Ausgleich eines Mangels als Add-on in der Schmerztherapie in weiteren Studien weiter untersucht werden.
Quellenangaben & weiterführende Literatur
1 L-Ascorbat ist die biologisch aktive Form von Vitamin C, die unter physiologischen Bedingungen keine sauren Valenzen mehr abgibt und somit den pH-Wert nicht verändert. Bei dem Produkt Pascorbin® muss aus regulatorischen Gründen die Ausgangssubstanz Ascorbinsäure auf der Packung deklariert werden. Der Herstellungsprozess gewährleistet allerdings, dass das fertige Arzneimittel L- Ascorbat enthält. 2 Likar et al. (2024) The Use of High-Dose Intravenous L-Ascorbate in Pain Therapy: Current Evidence from the Literature. Pain Ther, Jun 12. doi: 10.1007/s40122-024-00622-5. 3 Levels of Evidence for Therapeutic Studies, Tabelle 4, Burns PB et al. „The Levels of Evidence and Their Role in Evidence-Based Medicine.“ Plastic and Reconstructive Surgery 2011; 128(1):305-310.
Pascorbin® 7,5 g
Wirkstoff: Ascorbinsäure 150 mg/ml Injektionslösung. 1 Injektionsflasche (50 ml) enthält: Ascorbinsäure 7,5 g. Sonst. Bestandteile: Natriumhydrogencarbonat, Wasser für Injektionszwecke. Zur Therapie von klinischen Vitamin-C-Mangelzuständen, die ernährungsmäßig nicht behoben oder oral substituiert werden können. Methämoglobinämie im Kindesalter. Gegenanzeigen: Oxalat-Urolithiasis u. Eisenspeichererkrankungen (Thalassämie, Hämochromatose, sideroblastische Anämie). Kindern unter 12 J.: nicht mehr als 5-7 mg Ascorbinsäure/kg KG tgl. i.v. Bei Methämoglobinämie im Kindesalter: nicht mehr als 100 mg Ascorbinsäure/kg KG tgl. Besondere Vorsicht: Bei Pat. mit eingeschränkter Nierenfunktion. In Schwangerschaft u. Stillzeit u. beim Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel nicht mehr als 100 - 500 mg Ascorbinsäure tgl. Konservierungsmittelfrei, nur zur einmaligen Entnahme u. sofortigen Anwendung! Nicht verbrauchte Reste verwerfen. Besonderer Hinweis für Diabetiker: Nach parenteraler Gabe von Ascorbinsäure wird die Nachweisreaktion von Glucose im Blut gestört. Nebenwirkungen: Sehr selten: Überempfindlichkeitsreaktionen (z.B. Atembeschwerden, allergische Hautreaktionen), gastrointestinale Störungen (z.B. Übelkeit, Erbrechen, Durchfall), Schüttelfrost und Temperaturanstieg bei akuten Infekten; in Einzelfällen kurzfristige Kreislaufstörungen (z.B. Schwindel, Übelkeit, Sehstörungen). Bitte beachten Sie bei allen invasiven Eingriffen die Hygienerichtlinien des Robert Koch-Institutes. Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH, D-35383 Gießen